Andere Seite des Rauschs

Für Millionen von Besucherinnen und Besuchern aus der ganzen Welt ist das Oktoberfest ein Kaleidoskop der Möglichkeiten und des Genusses. Gleichzeitig ist die Theresienwiese ein Ort der Hemmungslosigkeit und des Rausches. Mit durchschnittlich sechs Prozent enthält das Oktoberfestbier mehr Alkohol als normales Bier. Aber nicht nur "Alkoholleichen" müssen auf dem Oktoberfest versorgt werden, sondern häufig auch Schnitt- und Sturzverletzungen, die im Eifer des Festgeschehens nicht ausbleiben.

In seiner Oktoberfest-Chronik aus dem Jahr 1858 erwähnt der Münchner Stadtchronist Ernst von Destouches (1843-1916) bereits die Bereitstellung von Sesselträgern. Im Jahr 1885 wurde die erste Sanitätswache mit 14 Mitarbeitern und drei Tragbahren von der "freiwilligen Sanitätskolonne" errichtet und 1888 zur "Normal-Sanitäts-Station" erklärt. Wie aus historischen Dokumenten hervorgeht, stand dieser Erste-Hilfe-Station neben Verbandszeug "1 Stiefelzieher, 1 Pot de chambre (Nachttopf), 1 Eiterbecken, 1 Flasche Rotwein, 1 Eisbeutel sowie 1 Schachtel englischer Versicherungsnadeln" zur Verfügung. Die Baracke der Sanitäts-Kolonne des Roten Kreuzes ist auf der hier gezeigten historischen Aufnahme aus dem Jahr 1910 zu sehen.

Von 1885 bis 2018 versorgte der Kreisverband München des Bayerischen Roten Kreuzes die Besucherinnen und Besucher auf dem Oktoberfest. Seit 2018 wird die Sanitätsstation auf der Theresienwiese vom Münchner Unternehmen Aicher Ambulanz Union geleitet. Heutzutage ist die Sanitätsstation hinter der Schottenhamel-Festhalle ganze 800 Quadratmeter groß und hat insgesamt sechs Räume zur Behandlung und Überwachung von Patienten. Rund 600 ehrenamtliche Sanitäterinnen und Sanitäter, die aus ganz Deutschland, aus Österreich und Italien zum Oktoberfest kommen, kümmern sich zusammen mit 30 Ärzten um die Patienten.

Die Anhöhe hinter den Wiesnzelten war in diesem Zusammenhang lange Zeit berühmt und berüchtigt. Wie auf der historischen Aufnahme aus dem Jahr 1955 zu sehen, bot sie bereits in der Vergangenheit eine Anlaufstelle für Festbesucher, die zu tief in den Maßkrug geschaut hatten. Doch leider zieht der Hügel auch immer wieder Kriminelle an, die die Situation der teils wehrlosen Menschen schamlos ausnutzten. Neben Diebstählen waren sexuelle Übergriffe in der Vergangenheit keine Seltenheit. Die Münchner Polizei versucht seit Jahren gegen die Geschehnisse auf dem Hügel anzukämpfen, mittlerweile ist dieser Bereich videoüberwacht.

Julia Misamer