Oktoberfestbier

Ohne Bier ist das Oktoberfest nicht vorstellbar. Statistisch gesehen trinkt jeder Besucher etwas mehr als eine Maß: 2019 waren es 7,3 Millionen Liter Bier bei 6,3 Millionen Besuchern. Seit den 1960er/70er-Jahren hat sich ein helles Festbier durchgesetzt, das auf eine Entwicklung der Augustinerbrauerei von 1953 zurückgeht. Alkoholgehalt und Stammwürze liegen höher als bei den sonst üblichen "Hellen", der Kohlensäureanteil ist dagegen geringer. Für diesen sog. Wiesnedelstoff warb die Brauerei 1976 mit Plakaten und Blechschildern. Zusätzlich bieten die Wirte Weißbier und alkoholfreies Bier an. Nur die sechs großen Münchner Brauereien sind auf der Wiesn vertreten: Augustiner, Hacker-Pschorr, Hofbräu, Löwenbräu, Paulaner und Spaten. Lediglich Augustiner und Hofbräu sind noch eigenständig und gehören keinem internationalen Großkonzern an. Strikt vorgegeben ist, dass die Braustätten auf Münchner Stadtgebiet liegen müssen.

Dies war allerdings nicht von Anfang an so: Zwar nicht auf der Theresienwiese, aber auf der Sendlinger Anhöhe ließ die Stadt München im 19. Jahrhundert auch Wirte und Brauer von außerhalb Münchens zu. Bier konnte man dort schon 1810 anlässlich der Kronprinzenhochzeit konsumieren. Wiesnbesucher schätzten das süffige Tölzer Bier, das auf Flößen über die Isar in die Hauptstadt kam. Die Postkarte "Gruss vom Oktoberfest" zeigt etwas ganz Außergewöhnliches: Von 1895 bis etwa 1904 hatte das Wiener Brauhaus Dreher eine Konzession für die Festwiese, die wohl auf die engen Kontakte zur Franziskaner-Leistbrauerei zurückging.

Auf dem Plakat von ca. 1925/30 wirbt die Wagnerbrauerei für ihr "Oktoberfest-Märzen". Lange Zeit gab es allerdings kein spezielles Oktoberfestbier: Die Wirte boten zunächst die allgemein üblichen hellen oder dunklen Biere an. Für das erste "typische" Wiesnbier sorgte Michael Schottenhamel: Er schenkte 1872 eine hellere, stärker eingebraute Variante des Franziskaner-Leistbräu aus. Als Vorbild hatte das Helle "Wiener Art" gedient, u.a. von Dreher vertrieben. Dieses "Märzenbier" trat nun seinen Siegeszug an und stellte für fast hundert Jahre "das" Wiesnbier schlechthin dar.

Als Schottenhamel seine Pioniertat leistete waren der Bierabsatz und das Brauen allgemein schon stark erleichtert. Restriktionen wie das Sommerbrauverbot existierten nicht mehr, zudem galt seit 1868 die Gewerbefreiheit. Technische Innovationen und Erfindungen wie die Hefereinzucht, die Kältemaschine oder die Dampfmaschine sorgten dafür, dass sich das Brauwesen schrittweise industrialisierte und riesige Mengen produziert werden konnten. Münchner Brauereien – insbesondere Löwenbräu – entwickelten sich durch den Export zu Weltmarken.

Matthias Bader