„Es Deand’l mit dem roten Mieder, Neubayrischer“

Seit dem späten 19. Jahrhundert ist der formal und melodisch festgelegte Tanz "‘s Dirndl mit’m roten Mieder“ in verschiedenen Handschriften und Drucken belegt. Der Tanz ist außerdem unter den Namen "Neubayrischer", "Neubeuerer" oder "Neubäurer" bekannt. Die Weise wurde anfangs teils mit Zither oder Bandoneon gespielt, ist aber auch für Blasinstrumente belegt. Einer von mehreren möglichen begleitend gesungenen Texten lautet: "Und’s Dirndl mi’n rotn Miada, [xx] / des is ma de allerliaba! [xx] / Ja sollt’s ma net / d’Allerliaba sei / ja na’da / war’s net mei. / ‘s Dirndl mit’n rotn Miada, [xx] / des is ma de Allerliaba! [xx]." Die von den Tanzpaaren zunächst wohl frei ausgeführten Schwing- und Dreherschritte im Dreivierteltakt erfuhren schließlich im Zuge der Trachtenbewegung des 20. Jahrhunderts eine – zumindest im Vereinstanz – weitgehende Konformisierung.

Es lassen sich folgende Tanzschritte, unter anderem für den Münchener Landkreis, beobachten: Takt 1 und 2: Vorwärtsgehen im Dreivierteltakt und Armschwingen des Paares; auf xx wird jeweils zweimal geklatscht oder gestampft; evtl. Wiederholung; Takt 3–6: Das Dirndl dreht sich unter dem erhobenen rechten Arm des Burschen im Vorwärtsgehen; Takt 7–8: wie 1 und 2; evtl. Wiederholung. Beim sich daran anschließenden Nachtanz wird Walzer oder Ländler in meist enger Paarhaltung getanzt.

Die vorliegende Aufnahme des Stückes ist mit einer Datierung auf 1906 ein recht frühes Beispiel historischer Tonaufnahmen. Die Kapelle Peuppus unter Kapellmeister Emil Kaiser (1853-1929) beginnt mit einem bis zum Ersten Weltkrieg gebräuchlichen Anfangsakkord. Dann erfolgt das von Klarinetten und Trompeten geführte Melodiemotiv zum Armschwingen der Tanzpaare mit abschließendem Klatschen/Stampfen mit Wiederholung. Ebenfalls wiederholt wird das Dirndldrehen mit dem sich anschließenden Schwingen und Klatschen/Stampfen. Unter Juchezern folgt dann die von Klarinetten geführte achttaktige Ländlermelodie zum Paarrundtanz. Hier wird die kraftvolle Begleitung des Bombardons mit Grundbässen und mehrstimmigem Blechnachschlag deutlich hörbar. Bei der Aufnahme fällt außerdem auf, dass der übliche Ablauf der Tanzweise etwas geändert wird. Gründe dafür gibt es zwei: Zum einen mussten sich die Interpreten an die auf einer frühen Schallplatte zur Verfügung stehendenden knappen drei Minuten Aufnahmezeit in ihrer Ausformung und Gestaltung des Stücks orientieren. Zum anderen kann angenommen werden, dass die Rezipienten der Schellackplatte wohl eine abwechslungsreichere Variante als die für den Tanzgebrauch normalerweise feste Melodiefolge mit mehrmaliger Wiederholung bevorzugten. Die Melodie einer der Ländler in der Aufnahme (ab Minute 0:47 und Minute 2:23) stammt interessanterweise aus dem 1. Akt der romantischen Oper „Der Freischütz“. Das Werk des Komponisten Carl Maria von Weber (1786-1826) wurde am 18. Juni 1821 in Berlin uraufgeführt.

Als Live-Interpretation wurde und wird der Tanz aufgrund seiner großen Beliebtheit gerne auf Volksfesten, wie auch dem Oktoberfest gespielt und gehört zum grundlegenden Repertoire der bayerischen Volkstanzszene. Gerade die Mitglieder der Trachtenbewegung haben durch ihre Tanzaufführungen das historische Oktoberfest geprägt – eine Beobachtung, wie sie auch in der heutigen Zeit für die Oide Wiesn zu machen ist.

Theresia Schusser

Es Deand'l mit dem roten Mieder, Neubayrischer

[ca. 1906]
  • Peuppus-Kapelle [Interpreten]
  • Emil Kaiser [Leitung]
  • [München]