Motive – Allegorien

Eine Allegorie ist die Versinnbildlichung eines abstrakten Themas. So werden Begriffe wie Freiheit, Gerechtigkeit oder Glück, aber auch Themen wie Wirtschaft, Handel oder Industrie dargestellt. Das geschieht meist in Form einer Person, die anhand bestimmter Merkmale, der Attribute, erkennbar ist. Die Gerechtigkeit beispielsweise wird mit den Attributen Schwert, Waage oder Augenbinde gezeigt.

Auf Banknoten wurden zunächst die Götter der Antike als Allegorien verwendet. Die antike Mythologie war im Bildungskanon des 19. Jahrhunderts fest verankert. So waren die griechischen und römischen Götter mit ihren Attributen den Menschen vertraut. Sie symbolisierten eine lange Tradition und sollten Vertrauen in das neue Zahlungsmittel Banknote erzeugen. Eine der meist verwendeten Figuren ist der Gott des Handels Hermes, erkennbar an einer geflügelten Kappe und geflügelten Schuhen sowie dem Caduceus. Der Caduceus ist ein Stab mit zwei Flügeln, der von zwei Schlangen mit einander zugewendeten Köpfen umschlungen wird. Ebenso beliebt war die Darstellung der Göttin der Weisheit und des Krieges, der Athene. Sie wird oft in voller Rüstung gezeigt mit Helm, Panzer und Lanze. Weitere Attribute sind die Eule als Symbol für ihre Weisheit oder der Ölbaum. Athene und Hermes stehen für das Selbstverständnis des Emittenten als verlässlicher und starker Partner der Wirtschaft und des Handels.

Das Bildprogramm weitete sich in der Folge aus. Zu den antiken Göttern traten Personifikationen abstrakter Begriffe wie Freiheit oder Gerechtigkeit. Häufig ist eine Frauenfigur abgebildet, die eine Mütze mit Zipfel trägt, die phrygische Mütze oder Jakobinermütze. Sie ist seit der Französischen Revolution ein Symbol der Freiheit. Die Attribute der antiken Götter wurden immer mehr aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen und auf zeitgenössische Figuren übertragen. So sind auf Banknoten der deutschen Staaten häufig Stadtgottheiten zu sehen. Sie stehen für die Legitimität der Banknote und symbolisieren den Schutz und die Förderung der jeweiligen Wirtschaft durch die Notenbank.

In diesem Zusammenhang stehen Allegorien der Industrialisierung und der Agrarwirtschaft. Die Landwirtschaft wird durch Figuren mit Sichel, Sense oder Getreide dargestellt. Handwerk und Industrie sind an Hammer, Sichel oder Amboss erkennbar. Auch mit dieser Bildsprache wurde die Bedeutung des Emittenten für die Wirtschaft hervorgehoben.

Allegorische Figuren stehen nicht nur für eine Region, sondern auch für eine ganze Nation. Die Verwendung solcher Personifikationen eines Landes steht in Zusammenhang mit der Zentralisierung des Bankwesens. Im Zuge der Entstehung der Nationalstaaten wurden zentrale Notenbanken errichtet. Die Ausgabe von Banknoten wurde zur "Staatssache" und lag nicht mehr in den Händen von privaten Notenbanken. So fand auch allmählich ein nationales Bildprogramm Eingang auf den Banknoten. Ein Beispiel hierfür ist die Germania. Sie ist seit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 immer wieder Motiv auf den Banknoten der Reichsbank. Das Beispiel hier zeigt sie unter einem Eichenbaum sitzend mit Wappenschild und Schwert. Neben ihr befinden sich Attribute des Handels, der Industrie und der Landwirtschaft wie Warenballen, Hermesstab, Zahnrad, Hammer, Amboss und Pflug. Im Hintergrund sind die Schiffe der kaiserlichen Flotte zu sehen. Die Reihe der nationalen Personifikationen auf Banknoten lässt sich weiter fortführen: Ungarn mit der Hungaria, Italien mit der Italia, Schweden mit der Svea, die Schweiz mit der Helvetia und so weiter.

Hermes

Lübeck, Commerz-Bank: Banknote über 20 Taler von 1865

Athene

Republik Griechenland, Bank of Greece: Banknote über 500 Drachmen von 1932

Industrie

Tennessee, Mechanics Bank of Memphis: Banknote über 10 Dollar von 1855

Bergbau und Landwirtschaft

Luxemburg, Internationale Bank: Banknote über 50 Mark von 1900

Liberty

Uruguay, Banco de la República Oriental del Uruguay: Banknote über 1 Peso von 1896

Germania

Deutsches Reich, Reichsbank: Banknote über 100 Mark von 1908