Der Sternenmantel Heinrichs II. Im Auftrag des Kaisers? Die Ursprungskonzeption

Das originale Bildprogramm des Sternenmantels Heinrichs II. setzt sich aus unterschiedlichen Komponenten zusammen. Die Hauptschauseite des halbkreisförmigen Mantels war seine Rückenpartie. Dort bildet ein von einem Blattwerkrahmen umgebenes Quadrat mit Christus in der Mandorla und den Evangelistensymbolen in den vier Ecken den Ausgangspunkt.

Dieses explizit christliche Bild wird durch verschiedene, ebenfalls christliche Motive, wie beispielsweise die 14 Medaillons mit vier Evangelistensymbolen, sechs Christusfiguren oder das Lamm Gottes ergänzt.

Die übrige Mantelfläche ist vom zentralen Christusquadrat ausgehend in radialer Anordnung mit 35 achtzackigen Sternen gefüllt, die zum Saum hin größer werden. Die Sternrahmen schließen neben Sonne und Mond zum größten Teil die ptolemäischen Sternbilder des nördlichen Himmels ein, wie das Sternbild Pegasus.

In der antiken Mythologie war Pegasus ein geflügeltes Pferd, das dem Hals der Medusa entsprang, als Perseus ihr das Haupt abschlug. Es weidete auf dem Berg Helikon, wo die neun Musen bei der Quelle Hippokrene lebten, die durch den Hufschlag des Pegasus entsprang.

In die Sternbilder ist auch der Zodiakus integriert. Drei Sternbilder sind ohne Rahmen erhalten.

Dieses Nebeneinander christlicher und antiker bzw. astrologischer Bilder wirkt heute ungewöhnlich. Das Bildprogramm des Sternenmantels darf jedoch keinesfalls als zweigeteilt gelesen werden, sondern muss gemäß dem zeitgenössischen Verständnis als Einheit gesehen werden.

Eine Tradition von Sternenmänteln lässt sich tatsächlich seit Alexander dem Großen (356-323 v.Chr.) über Karl den Kahlen (823-877, reg. 875-877) bis zu Heinrichs Amtsvorgänger, Otto III. (980-1002, reg. 983-1002) nachweisen, auch wenn keines dieser schriftlich bezeugten Gewänder im Gegensatz zum Sternenmantel erhalten ist. Ihre Funktion ist ähnlich wie die Sphaira: ein Machtsymbol und Zeichen für die Weltherrschaft.

Vor allem aber zeigt das Sternbild Pegasus die ursprüngliche Feinheit der Stickerei und die originale Farbigkeit des Sternenmantels. Er war dunkelblau!

Tanja Kohwagner-Nikolai