Das Stift als „Bank“ für Stadt und Region

Seit Ende des 13. Jahrhunderts ging das Stift vermehrt dazu über, nicht mehr Grundbesitz, sondern sogenannte Gülten (auch Renten genannt) zu erwerben. Hierbei handelte es sich um feste, vom Inhaber einer Liegenschaft (z. B. ein Hofgut oder ein Acker) zu entrichtende Geld- oder Naturalabgaben. So verkauften etwa 1287 der Aschaffenburger Bürger Konrad und seine Ehefrau Selindis dem Stift eine Gült von 6 Malter Roggen, die jährlich von ihrem Hof in Sulzbach zu entrichten war. Als Verkaufspreis erhielten sie von Dekan und Kapitel 20 Pfund Heller. Die Geldmittel für den Erwerb der Renten stammten in den meisten Fällen aus dem Vermögenskorpus der Präsenzkammer.

Man kann diese Art des Wirtschaftens, die zugleich eine Umgehung des kanonischen Zinsverbotes darstellte, als eine mittelalterliche Form des modernen Kreditwesens verstehen. Für das Stift waren die Rentkäufe eine wichtige Form der Kapitalanlage, während es selbst wiederum für Stadt und Region die Rolle einer Bank einnahm. Die "Kreditnehmer" des Stifts waren in erster Linie Bürger oder Angehörige des niederen Adels sowie geistliche Institutionen. Diese riskierten durch den Verkauf der jährlich zu entrichtenden Abgaben jedoch auch den Verlust ihres Besitzes, denn im Falle der Zahlungsunfähigkeit fielen die Güter, von denen die Gülten zu entrichten waren, an das Stift. Die Rentkäufe, die sich vor allem für das 14. und 15. Jahrhundert in vielen Urkunden nachweisen lassen, bildeten eine wesentliche Grundlage für dessen gute wirtschaftliche Entwicklung im Spätmittelalter.

Die größte Geldsumme, die das Stift während des Mittelalters als Kredit vergab, waren 6.645 Gulden an die Stadt Mainz. Von dem 1431 vollzogenen Geschäft erfahren wir durch eine Urkunde aus dem Jahr 1450. Als jährlicher Zins wurde ein Betrag von 289 Gulden festgelegt. Diesen zu entrichten und den Kredit zurückzuzahlen stellte die Stadt Mainz, wie die Urkunde belegt, vor größte Schwierigkeiten.