Aquarellierte Bleistiftzeichnung: protestantische Trachten aus Nähermemmingen

Museum Oberschönenfeld

Beschreibung

Im Rahmen der bayernweiten Trachteninitiative von König Maximilian II. von Bayern (1811–1864) entstand diese aquarellierte Bleistiftzeichnung mit „Trachten aus dem Pfarrdorf Nähermemmingen“ (Nördlingen, Lkr. Donau-Ries) als Beleg für Trachten der protestantischen bäuerlichen Bevölkerung im Nördlinger Ries. Dargestellt sind ein Paar, ein Jugendlicher und eine Frau auf dem Weg zum Gottesdienst. Der Kunstmaler und Zeichenlehrer Heinrich Dauer (1812–1879) aus Nördlingen fertigte das Blatt 1852 an. Der Landrichter vermerkte, es handle sich um die Sonntagskleidung der „landwirtschaftlichen Bevölkerung“. Mehrere Details galten in den Jahrzehnten zuvor als städtisch-modern, etwa die Frisuren der Frauen, die Keulenärmel an ihren Spenzern, der knöchellange Rock, die Kniehose und die Stiefel des Mannes sowie Pelzmütze, Kniehose und hohe Stiefel des Burschen. Das detailreiche Aquarell zeigt eine regionale Besonderheit, einen sog. Wolkenrock für Frauen aus Wollstoff, wie er in Oettingen mit großen Modeln farbig bedruckt wurde. Bei der Integration der neuen Landesteile in das 1806 entstandene Königreich Bayern setzten die Wittelsbacher auf „Einheit in der Vielfalt“: Regionale und lokale Identitäten sollten das gesamtbayerische Nationalgefühl ergänzen und verstärken. Geschickt verwoben sie bestehende schwäbische und lokalpatriotische Traditionen mit Königstreue und vaterländischem Stolz. Besonders erfolgreich war die Trachten- und Festpolitik der Wittelsbacher. Mit Umfragen zu ortsüblichen Kleidungsweisen wandelte sich die Bedeutung des Begriffs Tracht. Als Tracht galt nun regionaltypische Kleidung, die vielerorts erst geschaffen werden musste: Historische Kleidungsstücke wurden wiederentdeckt und – teils neu kombiniert – als Tracht ausgewiesen.