Der blaue Kunigundenmantel. Zwischen Reliquienkult und Reparatur: das Spätmittelalter

Ein Wunderbericht des 14. Jahrhunderts erzählt, dass auf Bitten einer Frau namens Gertrude eilend das heilige Gewand, eine Kasel herbeigebracht wurde, die aus dem kostbarsten Mantel der Kaiserin Kunigunde (gest. 1033) gemacht worden war. Als Gertrude sie berührte, begradigten sich ihre wohl von Gicht gekrümmten Finger und die Schmerzen wurden gelindert.

Diese Kasel wird 1437-1441 grundlegend durch Dorothea Beham erneuert. Es ist die vom zeitlichen, aber auch vom finanziellen Aufwand umfangreichste Reparatur, die am blauen Kunigundenmantel und im Kontext der Bamberger Kaisergewänder nachzuweisen ist.

Zu Beginn wurde blauer Altas gekauft. Dieses Gewebe bestimmt heute den Eindruck des Gewandes. Seine Oberfläche ist im Laufe der Zeit stark abgerieben, sodass nun an vielen Stellen statt der leuchtend blauen Farbe zum Teil nur mehr die eher grau erscheinenden, ursprünglich nicht sichtbaren Schussfäden hervortreten.

Auf dieses neue Gewand übertrug Dorothea Beham alle knappkantig aus dem originalen Trägerstoff ausgeschnittenen Goldstickereien. Allein in der Szene mit Mose vor dem brennenden Dornbusch sind das neben den Figuren und Ornamenten über 35 Buchstaben und weit über 70 winzige Pünktchen.

Insgesamt arbeitete Dorothea Beham sehr nah am Ursprungskonzept und äußerst bestandserhaltend. Aber dennoch wurde das Objekt bei dieser Maßnahme um gut 10 cm länger.

An Stellen, an denen die originalen Goldfäden abgegangen waren, wie im Strahlenkranz um die Erscheinung Gottes im Dornbusch, ergänzte sie mit vergoldetem Silberlahn. In der Mikroskopaufnahme erkennt man, warum diese Fäden heute eher grau wirken. Das Silber des Metallfadens ist aufgrund des Schwefeldioxidgehalts in der Luft durch die dünne Zwischgoldauflage zu Silbersulfid korrodiert. Diese Korrosionsschicht überlagert heute also das Gold.

Tanja Kohwagner-Nikolai