Die Bamberger Tunika. Aus alt mach neu: Veränderungen der Neuzeit

Die Bamberger Tunika erfuhr nach mindestens zwei Reparaturen im 18. Jahrhundert sowohl Mitte des 19. als auch des 20. Jahrhunderts zwei Eingriffe, die ihr äußeres Erscheinungsbild massiv veränderten.

Kurz nach 1857 nahm sie der Aachener Kanoniker und Textilsammler Franz Bock (1823-1899) in Augenschein und entfernte neben einem Besatzfragment, das heute im Victoria and Albert Museum London aufbewahrt wird, Fragmente von fünf verschiedenen Seidengeweben des 11. bis 15. Jahrhunderts im Gesamtumfang von etwa 2 m2.

1954-1955 wurde die Tunika dann in der Textilrestaurierungswerkstatt des Bayerischen Nationalmuseums unter Leitung von Sigrid Müller-Christensen (1904-1994, GND: 118585290) restauriert.

Dabei wurden die gestickten Besätze vom alten Trägergewand abgenommen und auf ein neues Gewand aus Baumwollsatin montiert. Dabei orientierte man sich – ungeachtet der Vornutzung als Kunigundenreliquie – explizit an einem Männergewand, da man die Besätze auf die 1127 im ältesten Bamberger Domschatzverzeichnis erwähnte Tunika des Kaisers bezog.

Deutlich war, dass der Saum nicht seine ursprüngliche Form bewahrt hatte, sondern einzelne Fragmente bei einer früheren Reparatur von verschiedenen Stellen zu einem Saumbesatz zusammengefügt worden waren. Man rekonstruierte korrekt, dass ursprünglich von Besätzen eingefasste, seitliche Schlitze existierten.

Beim rückwärtigen Saumbesatz wurde links das nach oben führende Fragment zu dicht angeschlossen und das Londoner Fragment angedeutet. Inwieweit ein Medaillon, das nur die Klauen des Greif zeigt, den originalen Abschluss bilden kann, ist nicht mehr zweifelsfrei zu klären. Der stumpfe Abschluss ist weder mit den zeitgenössischen Abbildungen von Tuniken in der Buchmalerei noch mit der Nutzung einer Tunika in Einklang zu bringen, denn durch die Bewegung des Schlitzes beim Gehen wäre genau diese Stelle am oberen Ende äußerst gefährdet. Zudem wurde nicht erkannt, dass – wie der Verlauf der Perlenschnüre belegt – ein kleines dreieckiges Fragment den Saum unten zipfelartig fortsetzte.

Auch beim Brustbesatz kam es zu Veränderungen. Die untere Spitze wurde mit einzelnen Goldstickereifragmenten von anderen Stellen neu gestaltet und verlängert. Dabei passte man Fragmente teils durch Umschlagen an die Form des neuen Unterlegstoffs an.

Tanja Kohwagner-Nikolai