Wohltätigkeit

Die Archive des Heilig-Geist-Spitals, des Leprosenhauses St. Achatz, des Bruderhauses, der Reichalmosen-Stiftung, der Gumpelzhaimer-Stiftung und der Fröschl-Stiftung spiegeln mit 2.145 zugeordneten Archivalien eine umfangreiche Überlieferung städtisch verwalteter Stiftungen seit dem 14. Jahrhundert wider.

Deren Administratoren, die in der Regel auch Ratsmitglieder waren, werden chronologisch-systematisch über die Zeiträume der umfangreichen Rechnungsüberlieferungen transparent. Die wenig zerrissenen Serien dieser Einrichtungen lassen diese einerseits als institutionelle Archivkörper sichtbar werden. Andererseits ist für die Nutzung und Auswertung der Bestände dieser Sammlungen auch auf die Hoheit der Stadt zu verweisen. So sind viele rechtliche Entscheidungen, welche die Stiftungen betreffen, beispielsweise über die städtischen Ratsprotokolle nachvollziehbar. Deren Überlieferung jedoch steht außerhalb dieser Bestände (siehe hierzu Trefferliste Ratssitzungen (Protokolle)).

Die hier zusammengeführten Archivalien erlauben tiefe Einblicke in die Entstehung und permanente Weiterentwicklung der wohltätigen Stiftungen der Stadt, die mit vielgestaltigen Aufgaben halfen, soziale Nöte zu lindern.

Heilig-Geist-Spital

Die älteste und zugleich finanziell bedeutendste wohltätige Stiftung Wasserburgs war das Heilig-Geist-Spital, das neben dem eigentlichen Spitalgebäude am Brucktor wohl seit der Gründung, die vor der urkundlichen Ersterwähnung 1338 (StadtA WS, I2a141) anzusetzen ist, über eine eigene Kirche verfügte. Während hier in der Frühzeit der Stiftung "viele Kranke und Dürftige" versorgt wurden, spezifizierte sich die anfangs universale Einrichtung zu einem Pfründnerhaus für üblicherweise ältere, nicht mehr arbeitsfähige Menschen, die sich dort in der Regel einkauften mussten, um im Spital fortan ein sicheres Auskommen bis zu ihrem Tod zu finden. Der Zutritt "um Gottes Willen" – also umsonst – wurde nur in Ausnahmen gewährt. Das Spital passte seine Leistungen im 15. Jahrhundert – zumindest für wohlhabende Pfründner – offenbar relativ individuell an den Wert des Einkaufgeldes bzw. -gutes an (StadtA WS, I2a176). Wie das System sich bis Mitte des 16. Jahrhunderts standardisiert hatte, zeigt ein Inventarbuch (StadtA WS, I2b309), das die Nachlässe der zwischen 1548 und 1561 verstorbenen Bewohner des Heilig-Geist-Spitals auflistet: es gab nun drei Klassen von Pfründen, nämlich die obere, die mittlere und die untere Pfründe. Ein Großteil des Archivbestandes resultiert weiterhin aus der Verwaltung des Spitalbesitzes, der Natural- und Geldabgaben durch die Spitaluntertanen und der Eigenwirtschaft (z.B. Wald). Religiöse Aspekte der Stiftung treten nicht zuletzt in der eigenen Pfarreiorganisation zu Tage. Mit einem Fuhrlohnbetrieb und den hierzu erhaltenen Fuhrlohnbüchern nahm das Spital zudem seinen Platz im Gefüge der Handelsstadt ein (StadtA WS, I2c-HLG-436).

Leprosenhaus St. Achatz

Das Leprosenhaus St. Achatz war ein Spezialspital für Wasserburger Bürger, die an ansteckenden Krankheiten litten. Sie kamen dort – außerhalb der Stadt, "vor der Brücke" – auf Lebenszeit unter, erhielten eine kostenlose Unterkunft, geistliche Betreuung, Unterstützung mit Lebensmitteln und gelegentlich auch Geld. Das Haus war offenbar von Beginn an mit der Kirche St. Achatz verknüpft, die erstmals 1403 bezeugt ist (StadtA WS, I2a548). Die älteste im Bestand erhaltene Stiftungsrechnung stammt aus dem Jahr 1483 (StadtA WS, I2c196), einige Bände dieser Serie weisen zudem die ältesten für die Bindungen sekundär verwendeten Handschriftenfragmente im Wasserburger Archivbestand auf, die sich freilich über den gesamten Amtsbuchbestand der Stadt verteilen (z.B. StadtA WS, I2c469).

Die Stiftungsfinanzen wurden wie im Heilig-Geist-Spital durch zwei Verwalter aus dem Rat geführt. Gründerin und hauptsächliche Vermögensgeberin der Stiftung war offenbar die Stadt Wasserburg selbst. Jedenfalls behauptete der Rat dies im Jahr 1633. Spätestens im 16. Jahrhundert verpfründete das Siechhaus. Für die Aufnahme musste also bezahlt werden. Dennoch waren offenbar zu diesem Zeitpunkt alle oder doch viele Bewohner Kranke, die jedoch in der Stiftung keine Vollversorgung beanspruchen konnten. Nachdem sie aufgrund ihrer Erkrankung in der Regel auch keiner Arbeit nachgingen, waren sie zusätzlich auf das Betteln an der Innbrücke angewiesen.

Bruderhaus

Die Bruderhausstiftung geht auf das 15. Jahrhundert zurück. Der oder die Stifter sind unbekannt. Die Spezialisierung dieser Stiftung war es, Arme aufzunehmen. Für Wasserburg ist bekannt, dass ins Bruderhaus – anders als ins Spital – auch Nichtbürger und Kinder aufgenommen werden konnten. Schon 1565, als zwischen 18 und 21 Bewohner im Haus ansässig waren, war auch das Bruderhaus verpfründet (StadtA WS, I2c265). Die Bewohner erhielten hier einen festen Wohnsitz, eine Grundversorgung mit Fleisch und Brot und an einigen besonderen Tagen im Jahr zusätzlich ein Brot- oder Weinmahl. Die Pfründner betreuten die Kühe im Stall und nutzten deren Milch zum Eigenverbrauch. Der Rat der Stadt, der auch hier Aufsicht und Rechnungen führte, hierfür zwei Verwalter bestellte, erhöhte die Brotration auf Bitten der Bewohner mehrfach (z.B. 1615, StadtA WS, I2c269). Das Bruderhaus besaß einige Grundstücke mit Wiesen und Krautäckern, die im 16. Jahrhundert noch von den Bewohnern selbst bewirtschaftet wurden.

Reichalmosen-Stiftung

Im Unterschied zu den in den Häusern der geschlossenen Fürsorge Untergebrachten unterstützte das Reiche Almosen Arme mit Geldzahlungen ohne sie zu beherbergen. In Wasserburg entstand eine entsprechende Institution im Jahr 1530 und geht auf eine Stiftung des Andre Ardinger vom Dezember des Vorjahres zurück (StadtA WS, I2a637). Infolge mehrerer Missernten und Teuerung stieg die Zahl der Armen und Unterversorgten in dieser Zeit enorm an. Die Verwalter des Reichen Almosens zahlten von dem eingesammelten Geld im ersten Jahr jeden Samstag Almosen an 33 Personen (StadtA WS, I2c1689). Die Zahlungen des Reichen Almosens hatten die Funktion einer dauerhaften sozialen Grundsicherung. Im Jahr 1600 wurde "der Bettel" in Wasserburg vollständig verboten. Im Gegenzug war die Stadt umso mehr verpflichtet, Bedürftige zu versorgen. Infolgedessen kam es zu deutlichen Umstellungen im Reichen Almosen. Im Frühjahr 1600 wurde in den Vierteln die bereits abgekommene Sammlung von Haus zu Haus wiedereingeführt, um – mit großem Erfolg – zusätzliche Einnahmen zu generieren: Die Einnahmen verdoppelten sich von 370 Gulden im Jahr 1599 auf 775 Gulden im Jahr 1600 (StadtA WS, I2c1743).

Gumpelzhaimer-Stiftung

Der Stifter dieser Einrichtung war Georg Gumpelzhaimer der Ältere (zwischen 1574 und 1586 Mitglied des inneren Rats, Bürgermeister, Verwalter des Leprosenhauses, 1581 und 1582 Kämmerer). Seine Familie gehörte zu den wohlhabenden Patrizierfamilien der Stadt. Die Stiftung im Jahr 1586 (StadtA WS, I2a159) umfasste 1.640 Gulden Kapital und Zinseinahmen in Höhe von 82 Gulden. Der Hauptteil des Geldes war für wohltätige Zwecke vorgesehen: dem Leprosen- und dem Bruderhaus sowie dem Reichen Almosen wurde zugestiftet. Hier sollten jährlich für 10 Gulden schwarzes Wasserburger Tuch angekauft und Armen unverarbeitet zur Herstellung von Bekleidung gespendet werden.

40 Gulden waren für eine eigene Aussteuerstiftung gedacht. Gumpelzhaimer stellte mehrere Bedingungen an die begünstigten Frauen: 24 Gulden sollten an eine "ehrliche Bürgerstochter" gehen, 16 Gulden an eine "auswärtige haußdiern", die sich einige Jahre in der Stadt "verdingt" hatte, jedoch nur, wenn sie sich in Wasserburg verheiratete und dort niederließ.

Die Arbeit der Gumpelzhaimer-Stiftung im 16. und 17. Jahrhundert ist kaum durch eigenständige Unterlagen dokumentiert. Stiftungsrechnungen liegen erst ab dem 18. Jahrhundert vor. Zwei Abschriften von Quittungsurkunden aus den Jahren 1615 und 1616 belegen, dass tatsächlich Heiratsgut ausgezahlt wurde. Über die Verteilung des gestifteten Tuchs gibt es einige Verzeichnisse aus den Anfangsjahren der Stiftung. Damals reichte das Tuch für 25 bis 30 Personen, die je nach Bedarf unterschiedlich viel davon zugeteilt bekamen.

Fröschl-Stiftung

Die 1548 gegründete Fröschl-Stiftung (Abschrift des Stiftungsbriefes in StadtA WS, I2b260) war eine bürgerliche Heiratsgutstiftung, die, wie im Fall der Gumpelzhaimer-Stiftung, mit dem modernen Ansatz verbunden war, Armut nicht nur kurzfristig zu lindern, sondern nach Möglichkeit zu verhindern. Sie geht auf Jakob Fröschl zurück. Seine Familie stammte aus Reichenhall, wo sie im 14. Jahrhundert zu den wichtigsten Patrizierfamilien und Salzproduzenten aufstieg. Auch die Wasserburger Linie widmete sich dem Salzhandel. Der Stifter Jakob Fröschl (1483-1551) gehörte von 1514 bis wenige Monate vor seinem Tod ununterbrochen zum Inneren Rat der Stadt, sodass er auch mehrfach als Bürgermeister gesiegelt hat. Fröschl hatte bereits in jungen Jahren eine Messstiftung und einen Jahrtag für sein Seelenheil eingerichtet, bevor er zum Ende seines Lebens auch noch eine wohltätige Stiftung zum gleichen Zweck ins Leben rief. Es handelte sich zudem um eine Heiratsgutstiftung, die jedes Jahr eine arme Bürgerstochter mit 20 Gulden und eine arme auswärtige Dienstmagd mit 15 Gulden unterstützte.

Die Stadt Wasserburg führte die Stiftung mit zwei für je ein Jahr amtierenden Ver-waltern. Über die Verteilung der Gelder entschied der Stadtrat (siehe hierzu Trefferliste Ratssitzungen (Protokolle)). Stiftungsrechnungen liegen erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts vor.

>> Diese Sammlung ist ein Teil der Sammlung "Stiftungsarchiv" im Bestand des "Stadtarchivs Wasserburg am Inn".