Das Stift als geistlicher Mittelpunkt

Das religiöse Leben in Aschaffenburg und dem gesamten Mainzer Oberstift wurde maßgeblich durch St. Peter und Alexander geprägt. Bereits das Privileg Papst Lucius’ III. (1097-1185, Papst ab 1181) von 1184 nennt 17 Pfarreien, darunter auch die beiden Stadtpfarreien "Unsere Liebe Frau" und "St. Agatha", in dessen Besitz. Etwa hundert Jahre später wurden diese beiden dem Stift inkorporiert: "Unsere Liebe Frau" im Jahr 1273, "St. Agatha" im Jahr 1279.

Damit ging die volle Verfügungsberechtigung über diese beiden vormals weitgehend unabhängigen bürgerlichen Pfarreien an das Stift, das nunmehr auch das alleinige Präsentationsrecht innehatte.

Als geistliches Zentrum strahlte das Stift Aschaffenburg aber auch über die engeren Grenzen der Region hinweg aus. Ausdruck dieser herausragenden Bedeutung ist beispielsweise eine vom Speyerer Bischof Friedrich von Bolanden (gest. 1302, Bischof ab 1272) 1281 ausgestellte Urkunde. Hierin gewährt er allen Gläubigen der Diözesen Mainz und Speyer für einen Besuch der Aschaffenburger Stiftskirche am Kirchweihfest (zu diesem Zeitpunkt noch am 25. Juli), an den Festtagen des heiligen Petrus und deren Oktaven sowie für Unterstützung des Stifts einen Ablass von 40 Tagen. Des Weiteren wurden hier bis ins 15. Jahrhundert hinein wiederholt Mainzer Provinzialsynoden abgehalten.

Aufgrund der Rolle Aschaffenburgs als Residenzstadt und wegen des stetigen Anwachsens der Bevölkerung wurde im Jahr 1504 am Stift eine Prädikatur (= Predigeramt) eingerichtet. Sie sollte der vertieften religiösen Unterrichtung der Gläubigen dienen. Dotiert wurde sie mit Einkünften der Vikarie am St. Martins-Altar in der Marienkapelle neben der Stiftskirche (die Kapelle wurde 1771 abgerissen). Bis ins 17. Jahrhundert wurde das Predigeramt von einem Stiftsgeistlichen wahrgenommen, nach Ankunft der Kapuziner 1622 betraute man diese mit der Aufgabe. Die Einrichtung der Prädikatur war nicht zuletzt auch ein Ausdruck des zu dieser Zeit aufstrebenden Predigerwesens. In der kurz darauf einsetzenden Reformationszeit sorgte das Stift dafür, dass die Lehre Luthers in Aschaffenburg keinen Einzug hielt.