Hans Tucher und seine Pilgerreise ins Heilige Land 1479/80

Dem Reisenden steht heute eine Vielzahl an Informationsangeboten von konventioneller Reiseliteratur bis hin zu Erfahrungsberichten im Internet zur Verfügung. Doch welche Medien nutzten Reisende im ausgehenden Mittelalter? Wer war überhaupt in der Lage zu reisen? Pioniere des Reisens waren damals Pilger. So ist einer der wichtigsten deutschsprachigen Reiseberichte dieser Zeit einem Jerusalem-Pilger zu verdanken: Hans VI. Tucher (1428–1491).

In der virtuellen Ausstellung wird anhand von ausgewählten Exponaten die spannende Entstehungsgeschichte seines Reiseberichtes von der Handschrift bis zum Druck aufgezeigt. Auch die Person und Familie von Hans VI. Tucher werden näher beleuchtet. Einen Höhepunkt bildet das Epitaph für seine Schwägerin Adelheid mit einer Ansicht von Jerusalem, die Hans´ eigenes Reiseerlebnis unmittelbar widerspiegelt.

Hans entstammte der Nürnberger Patrizierfamilie der Tucher. Kaufmännisch ausgebildet, leitete er die Handelsbeziehungen der Tucher-Kompanie zwischen Nürnberg und Venedig. Als sein Bruder Endres 1476 seine Ämter niederlegte und sich ins Kloster zurückzog, trat Hans an seiner Stelle in den Inneren Rat ein.

Am 6. Mai 1479 brach er mit Sebald Rieter (1426–1488), einem Ratskollegen, von Venedig aus zu einer Reise ins Heilige Land auf, bei der sie Jerusalem, das Katharinenkloster auf dem Sinai sowie Kairo und Alexandria in Ägypten besuchten. Nach neun Monaten kehrten die Pilger am 12. März 1480 nach Venedig zurück. Am 10. April zogen sie unter dem Jubel der Bewohner Nürnbergs in ihre Heimatstadt ein.

Über ihre Reise führten beide Pilger ein gemeinsames Tagebuch. Tucher hatte wohl noch während der Reise eine Publikation ins Auge gefasst, die er nach der Rückkehr in Nürnberg anging. Die Umgestaltung des als Erinnerung an die eigene denkwürdige Reise abgefassten Berichts in ein Werk, das modellhaften Charakter für Pilger besaß, lässt sich genau rekonstruieren. Trotz der zugrunde liegenden religiösen Motivation ist der Reisebericht von einem ungewöhnlich modernen Beobachtungsgeist geprägt, in dem sich die Neuzeit ankündigt. Liegt im ersten Teil der Fokus auf den heiligen Stätten in Jerusalem und dem dort zu erwerbenden Gnadenerlass, öffnet sich der Blick im zweiten Teil auf die Fremde, wo ein reiches Informationsangebot von landeskundlichen Exkursen über die ägyptische Kulturwelt in den Reiseverlauf eingeflochten wird. In seiner Konzeption als Pilgerführer fand das Werk eine große Resonanz, die sich nicht zuletzt in seinen vielen Auflagen bis heute ausdrückt.

Randall Herz / Claudia Däubler-Hauschke

Über die Ausstellung

Literaturhinweise