Korrespondenzen der Frauenbewegung

Nach der Gründung der "Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau" (1894) und dem ersten "Allgemeinen bayerischen Frauentag" (1899) entstand 1913 mit der Gründung des "Münchner Schriftstellerinnen-Vereins" durch Carry Brachvogel (1864-1942) und Emma Haushofer-Merk (1854-1925) erstmals ein organisiertes Netzwerk schreibender Frauen in Bayern. Zweck des Vereins war lt. Satzung "der Zusammenschluss der in München lebenden Schriftstellerinnen und Journalistinnen zur Besprechung beruflicher Fragen und zur Vertretung künstlerischer und wissenschaftlicher Interessen". Als Tätigkeit bestimmte man Zusammenkünfte, "bei denen alle einschlägigen Fragen erörtert werden" sollten, ferner die "Vertretung der Interessen des Standes und der Einzelnen"; auch fasste man literarische Veranstaltungen ins Auge.

So wie von den Mitgliedern erwartet und gefordert wurde, "dass sie im geschäftlichen Verkehr Interessen und Ansehen des Standes in jeder Weise wahren" – besonders die hochaktuelle Forderung nach gleicher Entlohnung von Mann und Frau –, so sehr engagierten sich die Vorsitzenden für die Rechte ihrer Mitglieder und korrespondierten rege mit Verlagen, Verlegern und Institutionen.

Derartige Korrespondenzen wurden jedoch nicht nur beruflich eingefordert; auch davor schon standen Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung im privaten wie geschäftlichen Briefwechsel, tauschten sich schriftlich aus oder bildeten entsprechend Netzwerke. Gegen Ende des Jahres 1891 schrieb z.B. Gabriele Reuter (1859-1941) an ihre Freundin Emma Haushofer-Merk: "Machen uns die Schlagworte 'Realismus' 'Liberalismus' 'Naturalismus' 'Moderne' nicht alle confus? Ich komme immer mehr dahinter, daß man die größte Kraft und Arbeit darauf verwenden muß, sich selbst kennen zu lernen und alles, was man produziert mit dem eigenen Machen zu belegen. Nun ist es freilig sehr schwer zu ergründen, worin denn unser eigenstes Machen eigentlich besteht!" (zit. n. Richardsen, Leidenschaftliche Herzen, feurige Seelen, S. 78) Der Brief macht die Suche nach dem eigenen, wahren Selbst deutlich und dessen Ringen um die richtige Ausdrucksform in der Literatur.

Im Folgenden werden Briefe schreibender Frauen mit kulturellen und literarischen Persönlichkeiten Münchens in Auswahl vorgestellt. Dabei stehen BriefpartnerInnen im Vordergrund, die mittelbar oder unmittelbar im Kontext der bürgerlichen Frauenbewegung zu verorten sind: Im ersten Teil korrespondieren die Münchner Schriftstellerinnen untereinander (Baudissin, Blum-Erhard, Brachvogel, Freudenberg, Klingenfeld, Kurz, Raff, Reuter, Stieler) oder mit ihren angebundenen Institutionen und Freundinnen ("Frauenklub von 1900", Hanfstaengl, Schaeuffelen); im zweiten dominieren die männlichen Korrespondenzpartner (Bernstein, Ganghofer, Halbe, Hertz, Heyse, Hildebrand, Ibsen, Jensen, Mensi von Klarbach, Pixis, Reck-Malleczewen, Ruederer, Scherer). Einen Schwerpunkt bilden die Briefe an Helene Raff (1865-1942) neben Briefen von Maria Janitschek (1859-1927) und Emma Klingenfeld (1848-1935).

Korrespondenzpartnerinnen (Schriftstellerinnen, Frauenvereinsvorsitzende, Freundinnen)

Korrespondenzpartner (Schriftsteller, Künstler, Journalisten)