Erste Regierungsjahre

Thronbesteigung im Jahr 1864

Ludwig II. kam nach dem plötzlichen Tod seines Vaters König Max II. (1811-1864) im März 1864 fast völlig unvorbereitet auf den bayerischen Thron. Der 18-Jährige stand von Beginn seiner Herrschaft an vor einer Vielzahl äußerst komplexer außen- und innenpolitischer Herausforderungen. Bayern war ein großer deutscher Flächenstaat, in dem fast fünf Millionen Menschen lebten. Der junge König musste sich in das System einer konstitutionellen Monarchie – einer Staatsform, in der die Macht des Monarchen durch eine Verfassung beschränkt wird – einfügen. Ludwig nahm die Regierungsgeschäfte zunächst durchaus mit Engagement und regem Interesse auf. Es zeigte sich jedoch schon bald, dass er seinen Aufgaben nicht gewachsen war.

Matthias Bader

Königliche Sekretariate

Zur Bewältigung ihrer Verwaltungsaufgaben unterhielten die bayerischen Könige zwei Sekretariate. Zum einen das Kabinettssekretariat, das sich um die laufenden Hof- und Staatsgeschäfte kümmerte und zum anderen das Hofsekretariat, das für die Privatangelegenheiten des Königs zuständig war. Das Hofsekretariat war für die Verwaltung der königlichen Kabinettskasse und damit auch für sämtliche Angelegenheiten zuständig, die die Ausgaben für Schlossbauten und Theaterinszenierungen betrafen.

Julia Misamer

Herrschaftsverständnis und Regierungsstil

Das Herrschaftsverständnis Ludwigs II. speiste sich aus der im Hause Wittelsbach tradierten Form des Gottesgnadentums, also der Vorstellung, dass der Herrscher durch göttlichen Willen eingesetzt wurde und folglich nur diesem verpflichtet sei. Hinzukam die vorkonstitutionelle Vorstellung der absolutistischen Herrschaft, die der König vor allem im Vorbild der französischen Bourbonenkönige des 17. und 18. Jahrhunderts bewunderte und welche der königlichen Macht keinerlei rechtliche Beschränkungen auferlegen sollte.

Dieses Herrschaftsverständnis kollidierte aber mit der politischen Wirklichkeit. Seit 1818 war die Macht der bayerischen Könige durch die Verfassung eingeschränkt. Auch wenn alle Macht vom König ausging, so lagen seine Gestaltungsmöglichkeiten vor allem in der Exekutive und auch hierbei musste sich der König gegen seine Minister erst durchsetzen. Gesetzgeberische Möglichkeiten waren durch die Zustimmung des Landtages beschränkt, der seit den Verfassungsreformen von 1848 deutlich an politischem Gewicht gewonnen hatte.

Im Laufe seiner Regierung zeigte der König immer wieder recht deutlich die Ablehnung des Parlamentarismus und der Volkssouveränität. Die von ihm auch während seiner ganzen Regierungszeit phasenweise verfolgten Idee eines Staatsstreichs zur Wiederherstellung eines absoluten Regierungssystems zeugen von seinen Präferenzen. Auch das Projekt der Erwerbung eines neuen Inselkönigreiches deutet in dieselbe Richtung. Sein anfänglicher Wille, seine verfassungsmäßigen Rechte auch auszuüben, erlahmte mit der Zeit zunehmend. Statt Minister zu treffen und direkt Einfluss ausüben zu können, lief die Kommunikation in späteren Jahren nur noch schriftlich ab und zeugt von dem schwindenden Einfluss des Monarchen.

Stefan Schnupp

Politische Ideen, Regierung und Kirchenpolitik

Unter Ludwig II. gab es im Parlament zwei große politische Lager: Zum einen die Liberalen, deren stärkste Kraft die Fortschrittspartei war, zum anderen die Katholisch-Konservativen, die von den Patrioten vertreten wurden. Zwischen diesen beiden Fraktionen bestanden große Gegensätze. Obwohl die Patrioten seit 1869 stets die Mehrheit in der Kammer der Abgeordneten des Landtags hatten, wählte der König für das Ministerium fast immer Liberale aus. Er wollte damit eine Parlamentarisierung der Regierungsarbeit verhindern. Konfrontiert wurde Ludwig II. auch mit kirchenpolitischen Auseinandersetzungen. Im "Kulturkampf" ging es ihm und seiner Regierung darum, den Einfluss der Kirche auf Staat und Gesellschaft zurückzudrängen.

Matthias Bader

Ein unsichtbarer König und das höfische Leben

Zu den Repräsentationspflichten des bayerischen Königs gehörte es, an Paraden, Hoffesten, Empfängen und Staatsbesuchen in München teilzunehmen. Anfangs versuchte Ludwig noch, diesen Amtspflichten nach bestem Wissen und Gewissen nachzukommen. Doch schon bald zog er sich zurück. Der junge bayerische König galt deshalb schnell als introvertiert und hochsensibel. Er mied seine Residenzstadt München und die damit verbundenen öffentlichen Auftritte, die für ihn zeitlebens ein Gräuel darstellten, wann immer er konnte. Die Königinmutter Marie und andere Verwandte mussten ihn deshalb oft bei höfischen Anlässen vertreten.

Bis heute existiert deshalb die Vorstellung Ludwigs II. als eines menschenscheuen Exzentrikers. Gleichwohl gab es im Leben des bayerischen Königs auch einige wenige Vertraute und konstante Beziehungen, die ihn und sein Handeln prägten. Der dynastischen Forderung nach einer standesgemäßen Heirat und der damit zusammenhängende Erhalt der Dynastie konnte er jedoch nicht gerecht werden.

Ludwig II. brach mit seinem Verhalten mit althergebrachten Traditionen. Zu der traditionellen Fußwaschung am Gründonnerstag in der Allerheiligen-Hofkirche oder auch auf dem Münchner Oktoberfest ließ sich der König oft vertreten. In seiner insgesamt 22-jährigen Regierungszeit führte er auch den Hausritterorden vom Heiligen Georg bei dem jährlichen Ordensfest am 24. April nur siebenmal als Großmeister an. Das bayerische Volk sah Ludwig II. im Jahr 1874 letztmals bei der alljährlichen Münchner Fronleichnamsprozession. Sein letzter öffentlicher Auftritt überhaupt fand im Rahmen der Bayreuther Festspiele im Jahr 1876 statt.

Julia Misamer

Zum Kapitel: Der Kampf um die bayerische Souveränität